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Steuerrecht





       die Kinder in die Pflicht genommen und müssen   Steuerrechts. Es geht hier um die steuerliche Einord-  beitgeber an seine Mitarbeiter für die Anbringung
       einen Teil derKosten übernehmen. Damit ist die So-  nung von Erstausbildungskosten. Dazu hat das Bun-  eines mit  Werbung versehenen Kennzeichen-
       zialhilfe grundsätzlich nachrangig gegenüber einer   desverfassungsgericht  mit Beschluss  vom  19. No-  halters zahlt, unterliegt der Lohnsteuer. Dies hat
       möglichen Selbsthilfe des Betroffenen oder gegen-  vember 2019 auf Vorlagen des  Bundesfinanzhofs   das Finanzgericht Münster entschieden. Die Arbeit-
       über Leistungen von anderen, insbesondere von   hin entschieden, dass Aufwendungen für die erst-  geberin schloss mit einer Vielzahl von Mitarbeitern
       unterhaltspflichtigen Angehörigen.  Wenn Pflege-  malige Berufsausbildung oder für ein Erststudium,   Mietverträge über Werbeflächen an deren privaten
       bedürftige die Heimkosten nicht zahlen können,   das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, nach   Fahrzeugen ab, in denen sich die betreffenden Mit-
       springt bislang zunächst das Sozialamt ein. Oft bit-  dem  Einkommensteuergesetz nicht als  Wer-  arbeiter zur Anbringung von Kennzeichenhaltern
       tet die Behörde dann die Kinder zur Kasse, um einen   bungskosten abgesetzt werden können, verstößt   mit der Firmenwerbung der Klägerin gegen ein Ent-
       Teil der Kosten zurückzubekommen.    nicht gegen das Grundgesetz  Zur Begründung   gelt in Höhe von 255 Euro im Jahr verpflichteten.
       Wie viele Angehörige an den Kosten beteiligt wer-  hat er ausgeführt, dass es für die Regelung sach-  Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die-
       den, ist schwer zu sagen. Eine aktuelle aussagekräf-  lich einleuchtende Gründe gibt. Der Gesetzgeber   se Vergütung Arbeitslohn darstelle und nahm die
       tige Statistik gibt es nicht. Im Gesetzentwurf ist von   habe solche Aufwendungen als privat (mit-)veran-  Klägerin als Arbeitgeberin für die Lohnsteuernach-
       rund 55.000 Menschen die Rede.       lasst qualifizieren und den Sonderausgaben zuord-  zahlung in Haftung. Mit ihrer hiergegen erhobe-
                                            nen dürfen. Die Erstausbildung oder das Erststudi-
       Auf Sozialhilfe angewiesen sind rund 300 000 Heim-  um unmittelbar nach dem Schulabschluss vermittle   nen Klage machte die Klägerin geltend, dass die
       bewohner, weil Rente, Pflegeversicherung und das   nicht nur Berufswissen, sondern präge die Person   Anmietung in ihrem eigenbetrieblichen Interesse
       eigene Vermögen nicht reichen. Seit dem 1.1.2020   in einem umfassenderen Sinne, indem sie die Mög-  erfolgt sei und es sich deshalb bei dem hierfür ge-
       wird der Unterhaltsrückgriff auf Eltern und Kindern   lichkeit biete, sich seinen Begabungen und Fähig-  zahlten Entgelt nicht um Arbeitslohn handele. Das
       mit einem jeweiligen Jahresbruttoeinkommen bis   keiten entsprechend zu entwickeln und allgemeine   FG Münster hat die Klage mit Urteil abgewiesen.
       100.000 Euro in der Sozialhilfe ausgeschlossen. Das   Kompetenzen zu erwerben, die nicht zwangsläu-  Die Zahlungen der Klägerin für die Anbringung der
       bedeutet, dass auf das Einkommen der Kinder von   fig für einen künftigen konkreten Beruf notwen-  Kennzeichenhalter mit Firmenwerbung stellten Ar-
       pflegebedürftigen Eltern, die die sogenannte Hilfe   dig seien. Die Erstausbildung weise vielmehr eine   beitslohn dar. Bei Würdigung der Gesamtumstän-
       zur Pflege erhalten, erst ab einer Höhe von 100.000   besondere Nähe zur Persönlichkeitsentwicklung   de sei das auslösende Moment für die Zahlungen
       Euro zurückgegriffen werden kann. Das ist für viele   auf. Auch die Begrenzung des Sonderausgabenab-  die Stellung der Vertragspartner als Arbeitnehmer
       Angehörige sicherlich eine deutliche finanzielle   zugs für Erstausbildungskosten auf einen Höchst-  und damit im weitesten Sinne deren Arbeitstätig-
       Entlastung.                                                              keit gewesen.
                                            betrag von 4.000 Euro in den Streitjahren bzw. aktu-
       Allerdings bleibt abzuwarten inwiefern hier dann   ell 6.000 Euro ist laut den Richterinnen und Richtern
       wiederum die Solidargemeinschaft zur Kasse gebe-  verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
       ten wird, da die Versorgung der pflegebedürftigen
       Person ja doch finanziert werden muss.  5.  Werbung auf Arbeitnehmer-Fahrzeugen als
                                            Arbeitslohn
       4. Steuerliche Behandlung von Erstausbildungs-  Zum Abschluss noch etwas aus der Kategorie „un-
       kosten verfassungsgemäß
                                            gewöhnlich“, oder womit sich die deutschen Fi-
       Als weiteren Hinweis noch ein Dauerbrenner des   nanzgerichte so befassen. Ein Entgelt, das der Ar-

















































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