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Vereinsnachrichten






                                       Akrobaten und Jäger der Lüfte                  wo Regen und Hochwasser die Larven ins Wasser
                                                                                      spülen. Andere Arten, wie die  Weidenjungfern,
                                   Vom wundersamen Lebenszyklus der Libellen          bohren mit dem Hinterleib kleine Löcher in Stäm-
                                                                                      me von Ufergehölzen, um dort die Eier hineinzu-
                          Lange wurden sie aus Unwis-  zen drei kräftige, mit Dornen besetzte Beinpaare,   legen. Schlüpfende Larven fallen dann ins Wasser.
                          senheit einst als  „Augenste-  die im Flug als Fangkorb dienen. Die vier Flügel   Die erstaunlichste Form der Eiablage findet aller-
                          cher“, „Teufelsnadel“ oder „Pfer-  der Libellen sind äußerst stabil, sehr robust und sie   dings komplett unter Wasser statt. So kriechen die
             detod“ bezeichnet. Dabei sind Libellen absolut   ermöglichen rasante Flugmanöver über weite Stre-  Weibchen des Großen Granatauges oder auch die
             harmlos und können weder stechen noch vergif-  cken genauso wie sekundenlange Schwebeflüge   Weibchen der Prachtlibellen entlang von Wasser-
             ten. Im Gegenteil, sie zeigen intakte Strukturen in   auf der Stelle.    pflanzen unter Wasser und bohren ihre Eier in die
             der Natur an und fressen in ihrem Leben als Flugin-  Libellen nutzen ihre Flugkunst auch zur Revierver-  Stängel der Pflanzen. Dabei umgibt eine silbrig glit-
             sekt Hunderte anderer Insekten, von denen einige   teidigung, Partnerfindung und Paarung. Ständig   zernde Lufthülle ihren Körper, damit sie nicht ertrin-
             von uns Menschen manchmal als störend oder gar   patrouillieren die Männchen ihr Revier entlang von   ken. Granataugen- bzw. Prachtlibellen Männchen
             lästig empfunden werden können.      Gewässerufern auf der Suche nach den bei vielen   umschwirren währenddessen exakt diese Ablage-
             Libellen sind erstaunliche und faszinierende Insek-  Arten unscheinbaren und blasser gefärbten Weib-  stelle über Wasser und bewachen ihr eierlegendes
             ten. Sie führen ein Leben voller Gegensätze: Als Lar-  chen. Rivalisierende Männchen jagen und vertrei-  Weibchen unter der Oberfläche. Großlibellen wie
             ve leben sie bis zu drei Jahre unter Wasser, als fertig   ben sich dabei im Sekundentakt und das Knistern   die Mosaikjungfern wiederum koppeln das Weib-
             entwickelte Libelle nur einige Wochen an Land und   der Flügel im Luftkampf ist deutlich zu hören. So-  chen ab und lassen es ungestört ihre Eier in Was-
             in der Luft. Als Larve bewegen sie sich nur extrem   bald ein Weibchen ins Revier einfliegt, ergreift es   serpflanzen und Holz ablegen. Dazu landen diese
             langsam am Grund von Gewässern, damit sie kei-  das Männchen hinter dem Kopf mit seinem Hinter-  auf schwimmenden Pflanzen- und Holzstücken,
             nem Fressfeind auffallen. Als Libelle schwirren sie   leibsende und hält es fest. Das Weibchen biegt nun   krümmen ihren Hinterleib unter Wasser und heften
             akrobatisch und mit hoher Geschwindigkeit umher   seinen Hinterleib unter dem Männchen hindurch   die Eier am Schwimmgut ab. Mit dem Schlupf der
             und vertreiben sogar Vögel aus ihrem Luftraum. Als   an dessen Geschlechtsorgan. So wird das Paa-  Larven nach dem Winter beginnt der Lebenszyklus
             Larve sind sie in Grau- und Brauntönen dem Bo-  rungsrad  oder „Libellenrad“ geschlossen  und die   der Libellen dann aufs Neue.
             dengrund bestens angepasst und perfekt getarnt   Paarung vollzogen. Einige Arten verbleiben dazu   Text: Bund Naturschutz Wenzenbach
             und manchmal überziehen sogar Algen und kleine   im Flug, andere setzen
             Steinchen ihren Körper. Als Libelle glitzern ihre Flü-  sich einige Sekunden an
             gel silbern und ihre Körper glänzen in nahezu allen   geschützter Stelle in der
             Farben.                              Vegetation ab.
             Die Larve unter Wasser und die Libelle in der Luft   Sobald  die  Paarung
             haben lediglich ihre Nahrungsstrategie gemein.   beendet ist, löst das
             Sie leben räuberisch, indem sie anderen Insekten   Weibchen die Rad-Ver-
             nachstellen. Die Larve lauert regungslos am Grund   bindung, wird aber wei-
             von Gewässern auf ihre Beute. Sie gelten als uner-  ter vom Männchen am
             sättlich und fressen mehrere Larven anderer Insek-  Hinterkopf festgehalten
             ten hintereinander. Andererseits halten sie es tage-,   und nun zur Eiablage
             im Winter sogar monatelang ohne Nahrung aus.   mitgetragen. Aus diesem
             Auch die erwachsene Libelle ist ein Jäger. Die groß-  Tandemflug wirft zum
             flächigen Facettenaugen mit bis zu 30.000 Einzel-  Beispiel  das Weibchen
             augen erlauben einen fast 360-Grad-Rundumblick   der Roten Heidelibel-
             auch während des Fluges und nichts entgeht ihrer   le die Eier über  Wasser
             Aufmerksamkeit. An der Vorderseite der Brust sit-  oder dem Ufer ab, von








































                                                                                                    B16 aktuell Oktober 2023   - 11 -


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